Kollektivierung
bezeichnet in erster Linie die gewalttätige Kampagne im ersten
Fünfjahrplan (1928-1932), mit der die Bauern gezwungen wurden,
ihre Privatwirtschaften zu Kollektivbetrieben zusammenzuführen. Im
Januar 1928 wies Stalin die lokalen Parteikomitees an,
„außerordentliche Maßnahmen“ zu ergreifen, um den „Kulaken“
(ursprünglich waren hiermit wohlhabende Bauern gemeint, unter Stalin
wurde der Begriff auf alle Bauern ausgedehnt, die sich der
Sowjetmacht widersetzten) angeblich gehortetes Getreide zu entreißen.
Auf Anordnung Stalins erstellten die örtlichen Behörden Listen mit
Bauern, die 1) als „Konterrevolutionäre“ sofort in
Konzentrationslager interniert werden sollten, 2) als
„Kulaken-Aktivisten“ mit ihren Familien in entfernte Gegenden zu
deportieren waren und 3) als weniger gefährlich in ihren Dörfern
bleiben durften und hier als Arbeiter eingesetzt werden sollten.
25.000 Aktivist/innen aus der Arbeiterschaft sollten dabei helfen,
die Enteignung der Bauern möglichst schnell durchzusetzen. In
einigen Gegenden der Sowjetunion kam es zu bürgerkriegsähnlichen
Zuständen; Bauern ermordeten die Aktivisten aus den Städten, die
ihrerseits die Bauern mit gezogener Waffe von ihren Höfen
vertrieben. Aus Sorge um
die neue Aussaat und aus Furcht vor einer Hungersnot unterbrachen die
Behörden die Kampagne im Frühjahr 1930. Im August wurde sie wieder aufgenommen und im Herbst 1931 für beendet
erklärt. Aufgrund der Enteignungen und Deportationen einerseits und
der schlechten Organisation der neuen Kollektivwirtschaften
andererseits kam es 1932/33 zu einer Hungersnot, deren Opfer auf fünf
bis zehn Millionen Hungertote geschätzt werden.